Manche Materialien erhalten bei veränderter Betrachtung eine neue Bedeutung. Im Zuge des ökologischen Landbaus erinnerte man sich nicht nur altbewährter Düngemittel und Technologien, sondern auch alter Nutzpflanzen. Ein Beispiel ist die Herstellung von Naturtextilien aus Materialien wie Nessel oder Leinen. Dieser widmet man in neuerer Zeit diverse Forschungsprojekte.
Mit dem Begriff „Nesselstoff“ ist ein Kampfstoff definiert. Textilien aus Nesselpflanzen werden als Nesselgewebe oder Nesseltuch bezeichnet, um Verwechslungen zu vermeiden. Dabei ist heute die Verwendung von Brennnesseln nicht mehr unbedingt nötig, um Nesseltuch herzustellen.
Traditionell stellte man Nesselgewebe tatsächlich aus Fasern aus dem Brennnesselstängel her und überlegt heute, dies wieder in größerem Stil zu tun. Unter dem Begriff Nesseltuch oder Baumwollnessel versteht man aber heute oft ein Gewebe, das aus Baumwolle hergestellt wird. Man kann es im Handel in drei Qualitätsstufen erhalten: Als Cretonne kennt man die gröbste Qualität, Renforcé bezeichnet die mittlere Qualität und die bekannteste ist auch die feinste Qualität: Das Kattun. Man kann diese Nesselstoffe meist in ungefärbter und ungebleichter Form erwerben, sie können aber auch eine textile Ausrüstungen haben.
Nesselgewebe aus Brennnesselfasern wurde traditionell aus dem Stängel der Großen Brennnessel hergestellt. Dieser besitzt nämlich feste und lange Bastfasern. Man konnte schon vor mehreren Jahrtausenden daraus Garne, Stoffe und Fäden herstellen, mit deren Hilfe man Pfeilspitzen und -enden am Schaft befestigte. Auch die Herstellung von Nesseltuch oder Leinen für Fischernetze war bekannt.
Die Stadt Leipzig hatte bis 1723 eine Nesselmanufaktur. Danach begann der Siegeszug der Baumwolle, die Manufaktur schloss. Die Brennnesselfaser eignete sich in hohem Maß für die Verwendung in Textilien, weil sie neben hoher Reißfestigkeit und einem hohen Aufnahmevermögen von Feuchtigkeit auch edel wirkte und eine hohe Bauschfähigkeit besaß. Nessel war ein Temperatur ausgleichendes Gewebe. Nachdem man sich zu Beginn der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts der Hanfpflanze als Faserproduzent wieder angenommen hatte, begann auch das Interesse an echten Nesselstoffen wieder zu steigen.
In Deutschland gibt es nur noch einen Hersteller von traditionellen Nesselgeweben. Die Firma gewinnt das Ausgangsmaterial aus Nesselstroh, mischt es jedoch ebenfalls mit bis zu 60% Baumwollgewebe. Moderne Textilien sind eben bestimmten Qualitätsansprüchen der Verbraucher unterworfen, die Nessel nicht mehr in alleiniger Verwendung erfüllt.